Delegieren ärztlicher Leistungen: Verantwortung und Recht
In der modernen medizinischen Praxis und im Klinikalltag spielt die Delegation ärztlicher Leistungen eine immer größere Rolle. Dabei geht es um die Übertragung bestimmter Aufgaben von Ärzten auf qualifiziertes nicht-ärztliches Personal, wie z.B. medizinische Fachangestellte (MFA) oder Pflegekräfte. Diese Praxis entlastet Ärzte, ermöglicht eine effiziente Patientenversorgung und verbessert die Arbeitsabläufe. Doch welche Leistungen sind delegierbar, und welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen beachtet werden?
Was sind delegierbare Leistungen?
Delegierbare Leistungen umfassen diagnostische und therapeutische Tätigkeiten, die von qualifiziertem, nicht-ärztlichem Personal unter der Verantwortung des Arztes durchgeführt werden. Diese Aufgaben zeichnen sich durch einen niedrigen Schwierigkeitsgrad und ein geringes Risiko für medizinische Komplikationen aus, wodurch sie sich ideal für die Übertragung an geschultes Praxispersonal eignen.
Beispiele hierfür sind das Messen des Blutdrucks, die Durchführung von Blutentnahmen, Impfungen, Injektionen, Infusionen sowie die Wundversorgung. Auch das Schreiben eines EKGs, die Ergometrie, Spirometrie, das Anlegen von Kompressionsverbänden, die Durchführung von Venenverschluss-Plethysmographien (VVP) und Verschlussdruckmessungen in der Phlebologie zählen zu den delegierbaren Leistungen – um nur einige zu nennen. Je nach Fachgebiet können zudem spezifische, delegierbare Tätigkeiten hinzukommen, die besondere Fachkompetenzen erfordern, wie etwa in der Inneren Medizin, Kardiologie oder anderen Facharztbereichen.
Wichtig ist, dass die ausführende nicht-ärztliche Person für die jeweilige Aufgabe ausreichend qualifiziert ist und das die Übertragung der Aufgabe im Rahmen des Qualitätsmanagements (QM) der Praxis oder Klinik vorbildlich dokumentiert ist.
Risiken und Haftungsfragen
Wenn bei der Durchführung einer delegierten Aufgabe Fehler auftreten, ergeben sich daraus oft komplexe Haftungsfragen. Der Arzt muss sicherstellen, dass die beauftragte Person für die jeweilige Aufgabe ausreichend qualifiziert und entsprechend geschult ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierzu finden sich im § 630h BGB, der insbesondere die Beweislastverteilung im Falle eines Behandlungsfehlers regelt.
Fallstricke
Um Haftungsrisiken zu minimieren und die ordnungsgemäße Ausführung delegierter Aufgaben zu gewährleisten, ist es unerlässlich, das Praxispersonal gezielt in die jeweiligen Tätigkeiten einzuweisen. Eine umfassende und kontinuierliche Schulung sowie die Implementierung klarer Qualitätsmanagement-Dokumentationen, wie z. B. präzise Arbeitsanweisungen, sind entscheidend, um die Prozesse zu standardisieren und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle delegierten Maßnahmen fachgerecht ausgeführt werden und Haftungsfragen präventiv adressiert sind.
Praktische Beispiele
- Blutdruck messen: Diese Tätigkeit wird häufig delegiert, kann jedoch Fehlerquellen bergen, wie z.B. ein nicht funktionierendes Messgerät oder das Versäumen, pathologische Werte an den Arzt zu melden. Diese Fehler können durch ein systematisches Qualitätsmanagement vermieden werden. Regelmäßige Wartung und Überprüfung der Messgeräte sowie Schulungen zur Interpretation der Messergebnisse und klar definierte Arbeitsanweisungen, wie das sofortige Melden kritischer Werte, sollten im QM verankert sein.
- Impfen: Impfungen können von MFAs durchgeführt werden, jedoch nur, wenn ein Arzt im Haus ist, um bei Komplikationen, wie einem anaphylaktischen Schock, sofort eingreifen zu können. Im QM muss die Anwesenheitspflicht des Arztes und der Notfallablauf klar geregelt und das Personal entsprechend geschult sein.
- Infusion legen: Auch diese Tätigkeit kann delegiert werden. Fehler wie das Fehllegen eines venösen Zugangs oder das Unterschätzen von Komplikationen wie Thrombophlebitis oder allergischen Reaktionen können jedoch schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Im Qualitätsmanagement (QM) sollten daher klare Arbeitsanweisungen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge von Infusionen fest verankert sein. Vor der eigenständigen Durchführung, z.B. durch eine Medizinische Fachangestellte (MFA), muss der delegierende Arzt die praktische Durchführung mindestens einmal überprüft und diese Überprüfung ordnungsgemäß dokumentiert haben, beispielsweise in einem Prüfprotokoll für delegierbare Leistungen.
Professionelles Qualitätsmanagement
QM-Dokumentation:
§ 630h BGB regelt die Beweislastumkehr bei Behandlungs-, Dokumentations- und Aufklärungsfehlern – d.h. dass unter bestimmten Voraussetzungen der Arzt nachweisen muss, dass kein Fehler vorliegt, anstatt dass der Patient den Fehler beweisen muss.
Die Regelungen des § 630h BGB sind auch auf delegierbare ärztliche Leistungen anwendbar. Zwar trägt die ausführende Person (z.B. MFA) die unmittelbare Verantwortung für Fehler, die übergeordnete Haftung bleibt jedoch beim Arzt. Bei Behandlungsfehlern (§ 630h Abs. 1 und 4 BGB) haftet der Arzt, wenn der Fehler auf unzureichende Unterweisung, mangelhafte Überwachung oder fehlende Dokumentation zurückzuführen ist.
Der Arzt ist verpflichtet, sicherzustellen, dass das ausührende Personal ausreichend qualifiziert und geschult ist.
Hier kommt das Praxis-QM ins Spiel: Die Qualitätssicherung in Arztpraxen erfolgt durch detaillierte Arbeitsanweisungen für delegierbare ärztliche Leistungen. Die ausführenden Mitarbeiter müssen nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung für diese Tätigkeiten qualifiziert sein, sondern auch von der Praxisleitung in die Umsetzung der einzelnen Arbeitsanweisungen eingewiesen werden. Dies kann beispielsweise durch ein Teammeeting-Protokoll oder ein internes Schulungsprotokoll dokumentiert werden, welches von den belehrten Mitarbeitern unterschrieben wird. Zusätzlich ist der Praxisinhaber verpflichtet, die Fähigkeiten der Mitarbeiter für die praktische Ausführung delegierbarer Leistungen (wie z.B. Blutentnahmen, Wundverbände, EKGs usw.) regelmäßig in der Praxis zu überprüfen. Auch diese Prüfung sollte durch ein Prüfprotokoll dokumentiert werden, das sowohl vom prüfenden Arzt als auch von den geprüften Mitarbeitern unterzeichnet wird.
Juristische Vorteile für Praxen:
Vorteile hinreichender QM Dokumentation:
- Sicherheit: Eine lückenlose Dokumentation der delegierten Leistungen, detaillierte Arbeitsanweisungen und Nachweis der der Qualifikationen der Mitarbeiter (z.B. durch Schulungs- oder Unterweisungsprotokolle) bietet der Praxis eine erhöhte Sicherheit im Falle von Rechtsstreitigkeiten.
- Rechtliche Entlastung: Bei hinreichender Dokumentation (vollständige QM-Unterlagern und Patientenaufklärung) muss der Patient im Falle eines Rechtsstreits beweisen, dass ein Fehler gemacht wurde und ein kausaler Zusammenhang zu seinem Schaden besteht.
- Risikominimierung: Durch professionelles Praxis-QM – z.B. in Form von Arbeitsanweisungen, Notfallplänen, Mitarbeiterschulungen und Qualifikationsnachweisen, wird das Risiko von Fehlern und damit verbundenen Haftungsfragen minimiert.
Qualitätsmanagement und Dokumentation
Ein gut geführtes QM-System ist die Grundlage für die sichere Delegation ärztlicher Leistungen in Praxen und Kliniken.
Alle Arbeitsanweisungen und Verfahrensanweisungen sollten detailliert formuliert und regelmäßig überprüft werden. Zudem muss sichergestellt sein, dass alle ausführenden Mitarbeiter nachweislich geschult sind. Generell gilt bei delegierbaren Leistungen auch das Remonstrationsrecht, welches den Mitarbeitern erlaubt, Aufgaben abzulehnen, wenn sie sich nicht in der Lage sehen, diese sicher auszuführen.
Fazit:
Die Delegation ärztlicher Leistungen bietet viele Vorteile, birgt aber auch Risiken, die durch ein starkes Praxis-QM und gute Unterweisung der Mitarbeiter minimiert werden können. Ärzte und Praxisinhaber müssen sicherstellen, dass die delegierten Aufgaben klar definiert, dokumentiert und die Mitarbeiter ausreichend qualifiziert und intern unterwiesen sind. Nur so kann eine optimale Patientenversorgung und Rechtssicherheit gewährleistet werden.
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Als erfahrene Qualitätsmanagement-Beraterin und TÜV-zertifizierte Qualitätsbeauftragte (TÜV) sowie QM-Auditorin unterstütze ich seit Jahren Arztpraxen und Kliniken bei der Implementierung und Optimierung ihres Qualitätsmanagements.
Wenn Sie Fragen zur QM-Dokumentation delegierbarer ärztlicher Leistungen haben oder Unterstützung in diesem Bereich benötigen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Gemeinsam können wir sicherstellen, dass Ihre Praxis optimal aufgestellt ist und Ihre Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten.
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